Verlassene Orte faszinieren. Es gibt Plätze, die längst dem Zahn der Zeit überlassen sind – und doch eine magische Anziehungskraft entfalten. Zerfallene Burgen, verlassene Krankenhäuser oder einsame Geisterdörfer erzählen von vergangenen Epochen. Sie wirken melancholisch, geheimnisvoll und oft ein wenig unheimlich. Schottland, ein Land voller Mythen, Legenden und dramatischer Landschaften, ist reich an solchen Orten. Von mittelalterlichen Schlössern über viktorianische Bauten bis hin zu stillgelegten Kriegsflugplätzen – die Spuren der Geschichte sind allgegenwärtig. Kein Wunder also, dass sich hier Geschichten, Aberglauben und Mythen bis heute halten. Hier sind sieben verlassene Orte in Schottland, die für Gänsehaut sorgen – und unbedingt einen Besuch wert sind.
1. Cardross: St. Peter’s Seminary – moderne Architektur im Verfall
Das Priesterseminar St. Peter’s diente nur 14 Jahre lang seinem Zweck, bevor es dem Verfall preisgegeben wurde – ein stilles Refugium, das einst jungen Männern eine ruhige, besinnliche Atmosphäre bieten sollte, um ihr Leben im Priesteramt zu beginnen. Erbaut im Jahr 1966 und weniger als zwei Jahrzehnte später aufgegeben, haftet dem Seminar heute eine unverkennbare Düsternis an.
Obwohl es von einigen als eines der besten Beispiele der Architektur des 20. Jahrhunderts gepriesen wird, verfällt es weiterhin langsam. Errichtet auf den Überresten eines Herrenhauses aus dem 19. Jahrhundert und eingebettet in einen Wald, war es ursprünglich als integraler Bestandteil der Landschaft gedacht. In gewisser Weise ist es das noch immer – denn Wasser fliesst durch seine ehrwürdigen Hallen, während der Wald es Stück für Stück zurückerobert.
2. Das Geisterdorf von St. Kilda
Nur wenige Orte in Schottland sind so abgelegen oder so eindrucksvoll wie die verlassene Siedlung auf Hirta, der grössten Insel des St.-Kilda-Archipels. Eingebettet in den relativen Schutz der Village Bay, erstrecken sich die steinernen Ruinen über Jahrhunderte hinweg und umfassen eine Reihe verfallener Cottages, die im 19. Jahrhundert erbaut wurden, um den Inselbewohnern ein besseres Leben zu ermöglichen. Das Leben in dieser abgelegenen, windgepeitschten Ecke der Britischen Inseln war hart – geprägt von einer bewegten Geschichte mit Pockenepidemien, Massenauswanderungen und unerbittlichem Wetter.
Als mehrere Bewohner den harten Winter von 1929 nicht überlebten, baten die verbleibenden 36 Inselbewohner die Regierung, sie auf das Festland umzusiedeln. Ihre markanten Steinhäuser wurden dem Verfall überlassen, als St. Kilda im folgenden Jahr aufgegeben wurde. Die Inselgruppe ist UNESCO-Welterbe – und einer der mystischsten Orte Grossbritanniens.

3. Slains Castle in Aberdeenshire – Bram Stokers Inspiration für Dracula
Die Ruine von Slains Castle – auch bekannt als New Slains Castle – erhebt sich als markantes Wahrzeichen an der windgepeitschten Küste von Aberdeenshire. Heute ist sie kaum mehr als eine verfallene Hülle: Das Dach ist längst eingestürzt, und ein Teppich aus Gras breitet sich durch die Räume aus. Nur die inneren Mauern lassen noch erahnen, wie das Bauwerk einst in seiner Blütezeit aussah.
Erbaut wurde es von Francis Hay, dem Earl of Erroll, am Ende des 16. Jahrhunderts, als Ersatz für das alte Slains Castle, das auf Befehl von König Jakob VI. nach einer religiösen Rebellion zerstört worden war. Rund 300 Jahre später betrat Bram Stoker, eingeladen vom 18. Earl of Erroll, die Hallen von New Slains, als er 1894 Cruden Bay besuchte – vermutlich inspiriert von der Atmosphäre, die später in seinem Roman Dracula (1897) ihren Nachhall fand. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Schloss aufgegeben, nachdem finanzielle Schwierigkeiten den 20. Earl zum Verkauf zwangen. Bald darauf wurde New Slains ausgeschlachtet und dem Zahn der Zeit überlassen.
4. Der geheime Bahnhof in den Botanischen Gärten von Glasgow
Die botanischen Gärten von Glasgow aus dem 19. Jahrhundert sind ein beliebtes Ausflugsziel, doch nur wenigen Touristen ist bekannt, dass sie nur einen Steinwurf entfernt eines der ikonischsten verlassene Bauwerke der Stadt liegen: ein unterirdischer viktorianischer Bahnhof, der seit Jahrzehnten stillgelegt ist. Eröffnet wurde die Botanic Gardens Station 1896 von der Glasgow Central Railway und über die Jahre zweimal geschlossen – zunächst während des Ersten Weltkriegs aus finanziellen Gründen und dann dauerhaft zu Beginn des Zweiten Weltkriegs.
In den folgenden 25 Jahren existierte die unterirdische Anlage als Geisterstation weiter und diente als Durchgangsstation für Züge, die niemals hielten. Ein oberirdisches Gebäude wurde nach einem Brand in den 1970er Jahren abgerissen, darunter liegt der unterirdische Bereich, der heute in einem Zustand des Verfalls und mit Graffiti bedeckt verborgen ist. Durch Lüftungsschächte in der Nähe des Eingangs zu den Gärten gut sichtbar, beherbergt die verlassene Station nun eine wildere Form von Natur als die gepflegten Anlagen, zu denen sie einst die Fahrgäste führte.

5. Loudoun Castle – vom Adelsitz zum verlassenen Freizeitpark
Das Loudoun Castle, dessen Ursprünge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, soll einst die Heimat von William Wallaces Urgrosseltern gewesen sein. Das, was heute von dem prächtigen Anwesen übrig ist, wurde grösstenteils im 19. Jahrhundert für die Gräfin von Loudoun errichtet und wieder aufgebaut. Sie beaufsichtigte das 90-Zimmer-Schloss mit seiner 10.000 Bände umfassenden Bibliothek und trug inoffiziell den Titel „Windsor von Schottland“.
Fast vollständig durch ein Feuer im Jahr 1941 zerstört, erhielt das Anwesen seine eigenartigsten Ergänzungen jedoch erst 1995, als die Ruinen des Schlosses in einen Vergnügungspark mit drei Achterbahnen und zahlreichen weiteren Attraktionen umgewandelt wurden. Viele dieser Fahrgeschäfte fanden nach der Schliessung des Loudoun Castle im Jahr 2010 neue Standorte in anderen Freizeitparks. Heute bleiben nur noch die melancholischen Überreste einer recht eigenwilligen Ergänzung zu einem der elegantesten Häuser Schottlands.
6. Glasgow: Gartloch Hospital – das Spukkrankenhaus
1896 als psychiatrische Klinik eröffnet, galt das Gartloch Hospital lange als eine der grössten Anstalten Schottlands. Über 800 Patienten fanden hier Platz, dazu kam ein Tuberkulose-Sanatorium. 1996 wurde die Klinik endgültig geschlossen. Heute ist ein Teil des Areals modern bebaut, doch das imposante Verwaltungsgebäude thront wie ein Schreckensschloss über der Landschaft. Ein Ort, der direkt aus einem viktorianischen Horrorroman stammen könnte.

7. RAF Fearn – verlassener Luftwaffenstützpunkt am Dornoch Firth
Unmittelbar südlich des Dornoch Firth ist die geisterhafte Umrisslinie der stillgelegten Start- und Landebahnen von RAF Fearn aus der Luft noch erkennbar. Einst ein Satellitenflugplatz für das einige Meilen nordöstlich gelegene RAF Tain, verrät die Lage der ehemaligen Kriegseinrichtung zwischen den Feldern am Boden die Funktion noch durch den unverkennbaren Umriss des vierstöckigen Kontrollturms (kürzlich zu einem Wohnhaus umgebaut) und eine kleine Ansammlung verfallener Gebäude aus der jeweiligen Epoche.
1942, als die Royal Navy die Kontrolle übernahm, wurde Fearn in HMS Owl umbenannt. In dieser Zeit diente der Flugplatz als Torpedoschule und beherbergte mehrere Tausend Militärangehörige. Heute ist es ein friedlicher Ort. Einer von vielen verlassenen Luftwaffenstützpunkten in Schottland, wo von Unkraut überwucherte Start- und Landebahnen an die turbulenten Jahre zwischen 1939 bis 1945 erinnern.
Schottlands Geisterorte entdecken
Verlassene Orte haben eine ganz eigene Magie. Sie sind stille Zeugen der Geschichte und wecken die Fantasie – zwischen Faszination und Gänsehaut. Wer in Schottland unterwegs ist, sollte sich auf die Suche nach diesen geheimnisvollen Plätzen machen. Ob Schloss, Krankenhaus oder Geisterdorf – jeder dieser Orte erzählt eine Geschichte, die man so schnell nicht vergisst.
