Was für Begriffe schiessen Ihnen in den Kopf, wenn Sie an Irland denken?
Sicherlich die unverdorbenen, üppigen Landschaften mit einer reichen Flora. Allenfalls aber auch die majestätisch aus dem Atlantik steigenden Klippen, welche bei Nebel einen bizarren und mystischen Anblick vermitteln. Oder sind es doch die Schafe, welche mit 8 Millionen eine doppelte Überzahl zum Menschen darstellen? Die flauschigen Vierbeiner, welche hier noch ohne Zäune auf fruchtbaren Wiesen ein sorgenfreies Leben geniessen können, zumindest bis sie als irisches Nationalgericht, dem «Irish Stew», enden. Sicherlich heimst auch das «Guinness», ein schwarzes obergäriges Bier mit seiner charakteristischen, cremefarbenen Schaumkrone einen Spitzenplatz bei der imaginären Rangliste der irischen Attribute ein.
Das Pub als Herzstück der irischen Kultur
Ich bin jedoch überzeugt, dass das «Pub», unverzüglich mit Irland assoziiert wird. Das Pub hat auf der grünen Insel eine lange Tradition und ist nicht nur Inbegriff für feuchtfröhliches Gelage, sondern steht auch im Mittelpunkt des sozialen Lebens und geniesst daher auch einen gewissen Kultstatus.
Die Entstehung des Pubs
Im frühen 17. Jahrhundert hat sich der Begriff Pub, hergeleitet aus dem englischen Wort «Public House», eingebürgert. Öffentlich, da es sich um einen der wenigen Orte, vor allem für die irische Arbeiterschicht handelte, wo man sich treffen konnte. Schon früh nahm das «Pub» einen zentralen Platz im Leben der Iren, vor allem der männlichen Bevölkerung, ein. Neuigkeiten wurden ausgetauscht, Probleme diskutiert oder man konnte einfach ein Stückchen Freiheit geniessen und den harten Alltag vergessen.
Das Pub als sozialer Knotenpunkt
Das Lokal diente aber auch als Plattform für den lokalen Handel oder als Partnervermittlung; wurden hier auch Kuhhandel zwischen Bauern welche auf abgelegenen Höfen lebten vereinbart oder Ehen – meistens unter Mithilfe eines sogenannten «Matchmaker» (Heiratsvermittler) – geschlossen. Auf dem Lande boten die «Publicans», wie die Gastwirte genannt werden, weitere Dienstleistungen an: Nicht selten konnte man in einem Pub auch seine Einkäufe tätigen oder der Besitzer unterhielt gleichzeitig noch eine Tankstelle oder trieb Handel mit den lokalen Bauern.
Die Namensgebung und Bedeutung der Pubs
Traditionell wurden die Pubs nach Tieren und Ortsnamen benannt und der Name der Gaststätte mit bildlicher Darstellung auf farbigen Schildern hervorgehoben. Nicht ohne Hintergrund, war zu dieser Zeit ein Grossteil der Bevölkerung Analphabeten und konnte sich dank der Schilder seinen Lieblingspub merken. Die Stammkneipe oder «Local» wie es der Ire nennt, ist wichtig und manch einer ist wohl seinem Pub treuer ergeben als seiner Ehefrau.
Die persönliche Bindung zum Pub
Besonders in ländlichen Gegenden kennt das Personal seine Gäste seit Erreichen der Volljährigkeit (oder länger). Dass ein Barmann seinen Stammkunden fragen müsste was er trinken möchte ist dann eine so absurde Vorstellung als würde er ihn nach seinem Namen fragen. So eine Stammkneipe will aber wohlüberlegt ausgesucht werden. Natürlich ist es oft diejenige, die günstig auf dem Nachhauseweg liegt. Es spielt aber auch eine Rolle welches Bier und welcher Whiskey ausgeschenkt wird, ob es dort Musik gibt oder eher ruhig ist, ob man Darts oder Pool spielen kann und natürlich wer das Pub sonst noch frequentiert und mit wem man sich stundenlang unterhalten kann.
Musik im Pub – Tradition trifft Moderne
Musik, vor allem der sogenannte «Irish Folk», ist auch heute noch wichtiger Bestandteil bei einem Pubbesuch. Während früher die Besetzung der Band willkürlich daraus bestand, welcher Gast gerade seine Geige, Gitarre, «Bodhrán» (Rahmentrommel) oder «Irish Pipe» dabeihat, ist heute auch etwas Kommerz eingekehrt. Die Lieder sind aber die gleichen geblieben. Sie handeln von «Molly Malone», der grossen Auswanderung nach Amerika, Heimweh oder dem Gerstensaft.
Die Sperrstunde und der irische Humor
Noch heute bestimmt die Sperrstunde das Ende eines Abends im Pub. Damit auch jeder mitbekommt, dass es Zeit ist die letzten Drinks zu bestellen wird optisch (durch mehrmaliges Aus- und Einschalten des Lichts) oder akustisch (durch das Läuten einer Glocke), verbunden mit dem eindringlichen Ruf „last orders please“, darauf hingewiesen. Danach hat man noch 30 Minuten Zeit sein Glas, beziehungsweise seine Gläser auszutrinken, denn wer noch durstig ist (und der Ire leidet oft unter chronischem Durst) versorgt sich kurz vor der Sperrstunde mit ausreichendem Vorrat. Der Ire wäre aber kein Ire, wenn er nicht wüsste das Übel der Sperrstunde zu umgehen. Sind nur noch Stammgäste anwesend bzw. Fremde die einen vertrauenswürdigen Eindruck machen, kann es vorkommen, dass die Fensterläden geschlossen, die Eingangstür zugesperrt wird, die Musiker ihre Instrumente wieder auspacken und es drinnen munter weitergeht.
Das irische Wohnzimmer – mehr als nur ein Pub
Die Gemütlichkeit und familiäre Atmosphäre eines irischen Pub, hat dieser Institution den liebevollen Beinamen «das irische Wohnzimmer» beschert.
Besondere Tage im irischen Kalender
Übrigens: Die wahrscheinlich härtesten beiden Tage für den Iren sind der erste Weihnachtsfeiertag und Karfreitag, denn dann bleiben die Pubs per Gesetz geschlossen.