Was ich auf meinen vielen Reisen immer wieder erlebe, ist dass das Heute eines Reiseziels eng mit seiner Vergangenheit verknüpft ist. Die Geschichte prägt die Konfession, Sprache, Architektur, Essgewohnheiten und die Menschen selbst. Aus diesem Grund beginnt meine Erzählung mit einem historischen Exkurs. Wir begeben uns auf den Ursprung einer Stadt im südlichen Mittelmeer, welche ohne ein historisches Ereignis wahrscheinlich nicht das wäre, wie sie sich heute den Bewohnern und Besuchern präsentiert.
Ein Wendepunkt in der Geschichte
Wir schreiben den Morgen des 18. Mai 1565. Die Sichtung der osmanischen Flotte vor der maltesischen Küste muss imposant gewesen sein. Über 200 Galeeren, Kriegs- und Transportschiffe mit über 40‘000 Mann steuern auf die Insel zu.
Der Anblick dürfte dem Grossmeister des Johanniterordens Jean Parisot de la Valette böse Erinnerungen wachgerufen haben. Schon 1523 waren es die Osmanen unter ihrem Sultan Süleyman dem Prächtigen, welche den Johanniterorden aus Rhodos vertrieben haben. Während ihrer 7 jährigen Odyssee durch das Mittelmeer, wurde dem Orden schliesslich 1530 durch den römisch-deutschen Kaiser Karl V die Insel Malta übertragen. Der ständigen Bedrohung aus dem Machtbereich von Konstantinopel bewusst, begaben sich die Ritter sofort an den Bau der Befestigungslagen rund um den „Grossen Hafen“ und erbauten die Forts St. Elmo und St. Angelo.
Heldenmut und Grausamkeit
Nach der Landung im Süden der Insel in der Bucht von Marsaxlokk, schafften die Osmanen ihre Truppen und Geschütze auf dem Landweg auf die Halbinsel „Monte Scibberas“, leicht erhöht über den Befestigungen der Ordensritter. Die als die „Grosse Belagerung Maltas“ in die Geschichte eingegangene militärische Auseinandersetzung begann. Den 40‘000 Aggressoren standen lediglich 750 Ritter, 600 spanische Söldner und 8000 Malteser gegenüber. Die Chronik eines Krieges, der erbarmungsloser oder blutiger nicht hätte sein können: Täglich gingen von seitens der Angreifer 6000 bis 7000 Kanonenkugeln, die bis 80 kg wogen, auf die Befestigungen nieder. Schliesslich fiel Fort St. Elmo, Die 9 überlebenden Verteidiger wurden geköpft, ihre Leichen gekreuzigt und über das Wasser in Richtung den Städten Birgu und Senglea getrieben. Im Gegenzug ordnete der Grossmeister La Valette die Tötung osmanischer Gefangener an, liess deren Köpfe in die Kanonen laden und auf den Gegner abfeuern.
Die Gründung Vallettas
Im September schickte Sizilien endlich das langersehente Ersatzheer zur Hilfe nach Malta. Diese frische Armee, die Tatsache dass die osmanischen Truppen durch militärische Verluste und Seuchen arg dezimiert wurden, aber auch der fehlende Nachschub, bewog die Osmanen nach fast 4 monatiger Belagerung die Insel sieglos zu verlassen.
Nach diesem hart umkämpften Sieg, beschlossen die Ritter auf der Landzunge des „Monte Scibberas“ eine Festungsstadt zu errichten. Die Lage war gut, auf 3 Seiten das offene Meer. Dem Bau der neuen Stadt Valletta (benannt zu Ehren des Grossmeisters Jean Parisot de la Valette) wurde nichts dem Zufall überlassen. Die Stadt wurde als erste Stadt Europas vollständig auf dem Reissbrett, nach den neusten Erkenntnissen der Militärarchitektur, entworfen. Bereits 1566 wurde mit dem Bau der geometrisch angelegten Befestigungsmauern und des schachbrettförmig angeordneten Strassennetzes begonnen. Schon 1571 wurde die Stadt fertiggestellt und erlebte unter den Johanniterrittern (Anmerkung: gleichbedeutend Malteserritter) eine Blüte der Künste, Verfechter und Verteidiger des christlichen Glaubens, aber auch als Begründer der modernen Krankenpflege.
Ein Spaziergang durch Geschichte
Szenenwechsel: Ich habe es mir auf einer Bank in den Upper Barrakka Gardens, einem schönen Aussichtspunkt über den Bastionen, gemütlich gemacht. Mein Blick streift über den natürlichen Hafen, hin zu den Städten Senglea, Cospicua und Vittoriosa. Vor 452 Jahren waren es hier nicht meine Blicke, sondern die Kanonenkugeln der Osmanen.
Der Geschichte bewusst, beschliesse ich mich auf einen Stadtrundgang, der lediglich knapp 1 km2 kleinen Hauptstadt Maltas zu machen. Mit seinen 6000 Einwohnern gehört sie zu den kleinsten Hauptstädte der Welt und wurde 1980 als Ganzes in die Liste der UNESCO als Weltkulturerbe aufgenommen.
Eine Stadt wie ein lebendiges Museum
Ich denke mir die vielen Touristen mit ihren Fotoapparaten und die modernen Beleuchtungsanlagen weg und begebe mich auf meine persönliche Zeitreise. Schon das Stadttor, eigentlich ein Loch in der kolossalen Stadtmauer, öffnet den Blick in eine andere Welt. Dahinter erkennt man sofort den unverkennbaren Baustil der Renaissance und den Hauch von Adel und Gold. Die Ritter aus 8 verschiedenen europäischen Adelsgeschlechtern kommend, wurden mit viel Geld im Gepäck nach Malta geschickt. Da diese Ritter (meist Sohn Nummer 3 oder 4 der Familie) keusch leben mussten und nicht den irdischen Freuden nachgehen durften, wurde der Reichtum in prunkvolle Häuser, Kirchen, Theater oder in die Kunst investiert, die die noble Herkunft des jeweiligen Rittergeschlechts zementierte. Heute sind die prachtvollen Bauten stumme Zeitzeugen einer längst vergangenen Epoche.
Das Herz Vallettas
Neugierig schlendere ich durch die Republic Street, dem maltesischen Pendant zur Zürcher Bahnhofstrasse, jedoch ohne den Lärm von Tram und Autos. Die authentischen Häuser reich mit Ornamenten verziert und wunderschönen, hölzernen Erkern, faszinieren mich. Auf dem Republic Square kehre ich im Cafe Cordina, der maltesischen Version des Sprüngli, ein. Hier soll es den besten Espresso und Schokokuchen der Stadt geben. Meine Blicke kreisen um den quadratisch angelegten Platz mit der altehrwürdigen Bibliothek und dem beeindruckenden Grossmeisterpalast.
Vallettas Sehenswürdigkeiten
Mit dem Stadtplan und dem Reiseführer auf dem Tisch, fange ich an mir die Sehenswürdigkeiten zu markieren, welche ich unbedingt noch sehen will. Bald stelle ich fest, dass diese Stadt mehr zu bieten hat, als ihre flächenmässige Grösse vermuten lässt. Der Stadtplan füllt sich. So wird das Manoel Teater (das älteste noch bespielte Theater Europas), die St. John’s Co. Cathedral, der Stadtpalast des Baronen de Piro, das ehemalige Ordensspital, das archäologische Museum, die ehemaligen Lagerhallen und vieles mehr eingetragen.
Eine Hafenrundfahrt als krönender Abschluss
Zum Abschluss des Tages, darf eine Hafenrundfahrt mit einer typischen „Dghajsa“ (maltesisches Holzboot) nicht fehlen. Vom Wasser aus, erhascht man den besten Blick auf die imposante, befestigte Stadt.
Für mich persönlich ist Valletta eine der beeindruckendsten Hauptstädte Europas und es überrascht nicht, dass die charmante Stadt zusammen mit Leeuwarden (NL) für 2018 zur Kulturhauptstadt Europas erkoren wurde.